„Es
lebe Jesus“
Es war
das Ende der Fastenzeit. Franz von Sales hatte seine letzte Predigt in Dijon
gehalten. Verwirrt und niedergeschlagen bat ihn eine Dame aus dem hohen Adel von
Burgund, die Schwester des Erzbischofs der Stadt, um eine Unterredung. Es war
Johanna Franziska von Chantal, die spätere Gründerin des Ordens der Heimsuchung
Maria.
Diese
Begegnung bedeutete für Franz von Sales einen Einschnitt in sein Leben. Er
wusste jetzt um das Geheimnis der Einmaligkeit der menschlichen Persönlichkeit.
Er spürte den Auftrag, nicht nur den Gemeinden und dem Gottesvolk Begleiter und
Wegweiser auf dem Wege des Evangeliums zu sein, sondern vielmehr noch dem
Einzelnen in seinen Nöten und Bedrängnissen zur Seite zu stehen.
Andererseits erfuhr er die geheimnisvolle Verbundenheit mit dem einzelnen Glied
im Mystischen Leibe Christi, so dass auch er an den persönlichen Gnaden seiner
„Söhne" und „Töchter" teilnehmen konnte.
Nach
knapp einem Jahr erkannte er, wie tief Frau von Chantal in das Geheimnis der
Gottesnähe gedrungen war. Er spürte förmlich, wie sie von Jesus glühte. Zögernd
folgte er ihren Spuren. Für ihn war noch immer Jesus, den er mit „Herr"
anredete, der König, Seine Majestät, dem er in Ehrfurcht seine Anbetung und
Liebe erwies. Bei der Baronin musste er eine andere Art der Spiritualität nicht
nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch zur Grundlage seiner Seelenführung machen.
Es war
die Herzensfrömmigkeit, das persönliche Ergriffensein von der Gestalt Jesu. So
schließt er zunächst seinen Brief: „Der gute Jesus möge in Ihrem und meinem
Herzen herrschen!" Im nächsten Brief finden wir eine Vertiefung der Jesusnähe:
„Leben Sie in Jesus Christus und lassen Sie ihn in sich leben. Der Gute Jesus
und Ihre Liebe." Der darauf folgende Brief (21. Juli 1605) bringt die Gruß- und
Schlussformel: „Es lebe Jesus!" Endgültig und grundsätzlich prägend. Seitdem
entfaltet sich der Reichtum und der Zauber seiner Innerlichkeit. Jesus im
Herzen; so formt er seine Gläubigen und Getreuen. Wo Jesus herrscht, und zwar im
Herzen, da leuchtet auch Jesus im Sich-geben und Handeln.
Vertrauen, Aufgeschlossenheit, Frohsinn, helfende Hand und leuchtendes Auge, ein
mutiges Herz und ein verstehendes Wort, Bereitschaft, dem barmherzigen Samaritan
zu denen zu folgen, die unter die Räuber gefallen sind, ausgestreckte Arme des
Vaters, der auf seinen verlorenen Sohn Tage und Nächte gewartet hat: das alles
zeichnet die tausend Briefe und Ansprachen, die Franz von Sales ins Herz der
Seinen grub.
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