Pater Hans Wessling,
OSFS Barmen, erinnert sich
aus Deutsche Tagespost Nr. 17 v. 06.02.1992
Waren Sie schon mal Oberer von einem Heiligen? -
Ich war es, neun Jahre lang. Das ist nicht einfach, aber einen Pater Pauels in
seiner Kommunität zu haben, bedeutet eine große Gnade. Wie war er? Eben anders
als alle anderen, schon in seiner Kleidung. Er trug im Kloster immer den Talar.
Auf Reisen, da ging er auch im schwarzen Anzug. In den neun Jahren meines
Rektorats war er zweimal in Israel, oft in Fatima, in Lourdes, in Lisieux und
mehrmals im Jahre in Amsterdam bei der Mutter aller Völker.
Sparsamkeit war ihm immer wichtig, oft zum
amüsieren. So brauchte ich ihn im ersten Jahr meines Rektorates für einen
Termin. Ich fragte ihn, ob er den Termin frei habe. „Da muss ich einmal
nachschauen“, war seine Antwort. Ich traute meinen Augen nicht: Mit einem Packen
alter Briefumschläge kam er zurück. Darin blätterte er wie in einem Kalender. Er
hat wohl nie im Leben einen anderen Kalender besessen. Brachte er
Messintentionen von seinen Unternehmen mit ins Kloster, so übergab er sie mir
stets in Form von Notizen auf alten Briefumschlägen. Doch es waren viele tausend
Mark, die er im Laufe der Zeit erhielt. Wir konnten mit diesen Messintentionen
die meisten unserer Missionare versorgen. Was er für sich bekam, gab er ab, als
wenn es eine Bagatelle wäre, als Spenden für den Priesternachwuchs, für die
Mission, für das Kloster.
Gehorsam galt ihm viel, vor allem der Segen des
Oberen. Der Segen war während der letzten Jahre, da er oft das Krankenhaus
aufsuchen musste, die einzige „Waffe“, um ihn zum Maßhalten zu bewegen. So war
er einmal in Liechtenstein zusammengebrochen und musste nach dem
Krankenhausaufenthalt von einem Ordensbruder geholt werden. Der kranke Mann war
wieder voller Pläne. Ehe er mir diese unterbreitete, kam ich ihm zuvor: „Lieber
Pater Pauels, Sie können von mir aus in den nächsten Tagen, bis die Ärztin
kommt, gehen wohin sie wollen. Nur den Segen bekommen sie von mir nicht, das hat
die Ärztin verboten.“ Er schmunzelte, und es war klar: für vierzehn Tage lag er
an der Leine.
Er war der Mitbruder, der die meisten
Telefonanrufe bekam und die meiste Post. Wann er die Post bei den wenigen
Stunden, die er im Hause war, beantwortete, blieb ein Rätsel. Noch am letzten
Abend seines Lebens hörten die Mitbrüder die Schreibmaschine auf seinem Zimmer
klappern und einen ganzen Packen voll Post kam noch an seinem Sterbetag an. Ein
Kennzeichen für ihn war die ständige Bereitschaft für andere. Wie viel Gespräche
er im Sprechzimmer geführt, wie viel Beichten er gehört hat, das weiß nur der
liebe Gott. Mehrmals im Jahr hat er in unserer kleinen Werktagskapelle jüngere
und ältere Menschen getauft, Konvertiten in die Kirche aufgenommen oder die
erste heilige Kommunion gespendet. Das alles geschah ganz unauffällig. Das Heil
der Menschen bedeutete ihm alles. Er war barmherzig und liebevoll als
Beichtvater. Der Schreiber, von dem er 1967 sagte: „Sie waren der Eckpfeiler der
Progressiven in der Provinz und ich war der Eckpfeiler der Konservativen“,
verliert mit dem Tode Pater Pauels seinen Beichtvater. Sicherlich war er ein
gottbegnadeter Priester.
Zwei besondere Verehrungen spielten in seinem
Leben eine besondere Rolle, die Eucharistie und die Marienverehrung. Er war ein
glühender Verehrer des Allerheiligsten, aber ebenso kindlich verehrte er die
Muttergottes. Für ihn gehörte beides zusammen. Es gab keine Predigt, in der er
nicht an das Wirken der Muttergottes erinnerte. Ihr vertraute er sein ganzes
priesterliches Wirken an. Als Leiter des Gymnasiums hielt er jährlich mit allen
Klassen einen Fatimatag. In seiner Schlusspredigt richtete er stets das Wort an
Maria: „Du bist die eigentliche Leiterin unserer Schule!“ Er tat nichts, ohne
sich mit der Gottesmutter zu besprechen. An seinem Krankenbett im Krankenhaus
stand eine kleine Muttergottesstatue.
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